PhilosophiePhilosophie

04 2021

Peggy H. Breitenstein, Franziska Dübgen, Daniel James, Franz Knappik, Pauline Kleingeld, Maria Martinez Mateo, Klaus Vieweg und Marcus Willaschek:
Rassismus und Kolonialismus in der Diskussion

aus: Heft 4/2021, S. 24-43
 
Gegenwärtig werden in der Philosophie rassistische und kolonialistische Tendenzen in klassischen Texten diskutiert. Warum erst und warum gerade jetzt?
 
Peggy H. Breitenstein: Zunächst würde ich die Situation ein wenig anders beschreiben: In der deutschsprachigen Philosophie werden diese Tendenzen derzeit erstmals weithin vernehmbar, unter Anteilnahme einer breiteren Öffentlichkeit diskutiert. Diese Präzisierung erscheint mir wichtig und aufschlussreich. Bekannt sind diese Tendenzen nämlich auch im deutschsprachigen Fachdiskurs schon länger. Um das am Beispiel Kants zu konkretisieren: Kürzlich fand ich einen Artikel zum impliziten Rassismus in Kants Darstellung der ‚Wilden‘, der 1988 von den renommierten Kant-Studien kurzerhand abgewiesen wurde – ohne Diskussion oder eingehende Begründung. Seit mehr als 20 Jahren gibt es zudem in vor allem postkolonial und rassismuskritisch engagierten Richtungen der anglophonen Kantforschung fruchtbare Debatten zum Zusammenhang von Eurozentrismus, Rassismus, Kolonialismus bei Kant und auch zahlreiche Artikel, Monographien, Sammelbände.
 
Vor diesem Hintergrund stellt sich vielleicht auch die Eingangsfrage anders: Warum können diese kritischen Stimmen derzeit nicht mehr einfach übertönt werden? Das wiederum dürfte einerseits mit Problemen zu tun haben, die sich gesellschaftskritisch erfassen lassen als struktureller Rassismus und (Neo-)Kolonialismus. Angesichts dieser derzeit öffentlich diskutierten Probleme kann sich auch die akademische Philosophie der Frage nicht mehr verweigern, welchen Beitrag ihre Klassiker bei deren Reproduktion gespielt haben (könnten). Andererseits hat dies (hoffentlich) mit der zunehmenden Diversität Lehrender und vor allem Studierender zu tun, die es inzwischen unmöglich macht, bei der Lektüre und Diskussion philosophischer Texte immer nur Menschen vor Augen zu haben, die von rassistischen Passagen selbst nicht angesprochen sind. Inzwischen haben sich die von diskriminierenden und herabwürdigenden Äußerungen Angesprochenen selbst Gehör verschaffen können: sowohl im Rahmen sozialer Bewegungen wie Black Lives Matter als auch in Studierendenprotesten. Angesichts dieser Stimmen kann sich auch die akademische „Scientific Community“ nicht mehr einfach hinter einer Mauer des Verschweigens verstecken und selbst das vehement verteidigte, illusionäre Ideal der Wissenschaftsfreiheit überzeugt nicht mehr.
 
Marina Martinez Mateo: Dass Fragen um Rassismus in der Philosophie sowie um den Beitrag der Philosophie zur Etablierung und Legitimierung von Kolonialismus heute erst diskutiert würden, stimmt nicht ganz. Solche Diskussionen und Kritiken an der europäischen bzw. „westlichen“ Philosophie hat es immer wieder – vermehrt in den letzten Jahrzehnten – gegeben. Etwa wären hier Frantz Fanons Schwarze Haut, weiße Masken von 1952 oder Gayatri Chakravorty Spivaks Kritik der postkolonialen Vernunft von 1999 (und viele andere) zu nennen. Auch zeitgenössische Kritik an den entsprechenden klassischen Texten hat es immer wieder gegeben.
 
Die Tatsache, dass diese kritischen Ansätze in einer breiteren Öffentlichkeit bzw. in der (deutschsprachigen) akademischen Philosophie kaum rezipiert wurden, ist gerade Teil des Problems und zeigt auch, weshalb die Auseinandersetzung mit dem Rassismus und Eurozentrismus der Philosophie nicht bloß historisch ausfallen darf, sondern auch die Gegenwart in den Blick nehmen muss.
 
Die Frage zielt aber natürlich im Grunde dar-auf, weshalb diese Probleme heute breiter diskutiert werden und eine größere mediale Aufmerksamkeit erfahren als noch 2019. Hierzu scheint mir die evidenteste Antwort die angemessenste: Es gibt heute außerhalb der Philosophie soziale und politische Kämpfe und Debatten, die Fragen um Rassismus (aus Gründen sich immer wieder erweisender bitterer Dringlichkeit) ins Zentrum holen. Diese Diskussionen haben nun auch die akademische Philosophie erreicht, von der selbst allerdings, wie mir scheint, nicht viel ausgegangen ist. An der Diskussion um Kants Rassismus, die in den Sommermonaten des Jahres 2020 die Feuilletons füllte, zeigt sich das sehr deutlich: Es waren die weltweiten Proteste im Rahmen von Black Lives Matter, die Denkmäler kolonialer „Persönlichkeiten“ ins Wanken brachten und damit die Diskussion darüber entfachten (genau genommen ausgelöst durch eine beiläufige Bemerkung des Historikers Michael Zeuske im Deutschlandfunk), ob nicht eigentlich auch Immanuel Kant vom Podest gestoßen werden müsste. Die Reaktionen der Philosoph:innen hierauf klangen zunächst so, als müsse das eigene Fach gegen Angriffe von außen verteidigt werden – erst im Laufe der darauffolgenden Monate haben sich daraus weitergehende Diskussionen ergeben, die einen neuen, kritischen Blick auf Philosophie und Philosophiegeschichte ermöglicht haben.
 
Franziska Dübgen:In der internationalen Forschung, insbesondere in den Critical Race Studies, der Postkolonialen Theorie sowie in den Kulturwissenschaften, gibt es bereits seit mehr als drei Jahrzenten Forschung zur Verwobenheit von Kolonialismus, Rassismus und Philosophie. Die jetzt einsetzende breitere Rezeption dieser Themen in der Philosophie ist sicherlich u. a. gesellschaftspolitisch motiviert: Proteste von Studierenden an südafrikanischen Universitäten sowie an Londoner und Berliner Bildungsinstitutionen richten sich seit 2015 verstärkt gegen einen philosophischen Kanon, der vor allem durch „weiße“, in der westlichen Hemisphäre angesiedelte Autor*innen geprägt ist und deren Lebensrealität widerspiegelt. Auch im politischen Leben hat die Sensibilität gegenüber rassistischen Ausgrenzungsmechanismen zugenommen – nicht zuletzt aufgrund der Black Lives Matter-Bewegung in den USA und der daraus folgenden Debatte über institutionellen Rassismus in Deutschland. Diese studentischen und sozialen Bewegungen zwingen uns dazu, unsere Augen zu öffnen für Formen der symbolischen, physischen und institutionellen Gewalt gegenüber Menschen, die bis heute als „Andere“ konstruiert, kulturalisiert, rassifiziert und abgewertet werden.
 
Wir haben zudem mittlerweile an unseren Universitäten Studierende und Kolleg*innen aus unterschiedlichen Kontinenten. Der Raum, in dem wir lehren und forschen, ist diverser geworden – wenn auch bei weitem nicht divers genug. Neben den sozialen und politischen Bewegungen unserer Zeit ist es daher auch der Umstand einer diversifizierten Kollegen- und Studierendenschaft, die uns dazu aufruft, selbstkritischer, demütiger und lernfähiger mit unserem philosophischen Erbe umzugehen und uns mit der Gewalt auseinanderzusetzen, die vielen Texten potentiell inhärent ist.
 
Welches sind schlimme Beispiele von rass-stischen Textstellen der abendländischen Philosophiegeschichte?
 
 
 
Franziska Dübgen: Es gibt zahlreiche Beispiele, die jedoch nicht lohnen, hier ausführlich zitiert zu werden. Die Schriften bedeutsamer Vertreter der Aufklärungsphilosophie sind reich an herabwürdigenden Kommentaren; seien es David Humes vermeintliche Erkenntnisse über „die natürliche Unterlegenheit der Neger gegenüber den Weißen“, Immanuel Kants Ausführungen über die verschiedenen Racen der Menschen und deren unterschiedliche Begabung zur Kultur bis zu G.W.F. Hegels viel zitiertem Diktum, der afrikanische Kontinent sei kein geschichtlicher Weltteil, da er keinerlei Entwicklung aufweise.
 
Marina Martinez Mateo: Ich würde ein solches Gegeneinanderhalten von „Beispielen“ eigentlich vermeiden wollen; erstens, weil eine tiefergehende und gewinnbringende kritische Analyse von Rassismus (überhaupt) sich nicht durch die skandalsuchende und dar-in exotisierende, letztlich Rassismus reproduzierende Sammlung von besonders „krassen“ Fällen gewinnen lässt – Rassismus ist nicht mal schlimmer, mal weniger schlimm, sondern immer menschenverachtend; zweitens, weil die Rede von Beispielen und „Textstellen“ die Annahme stützt, das Problem läge bei Einzelfällen, die es entweder zu retten oder zu verurteilen gälte, und nicht bei systematischen begrifflichen Zusammenhängen, die vielleicht gerade dann wirksam sind, wenn sie gar nicht so krass oder explizit daherkommen (wie sich etwa an den vielschichtigen Diskussionen um den Zusammenhang von Fortschrittsdenken und Kolonialismus, von Universalismus und Ausschluss oder auch von Freiheit und Versklavung ersehen lässt).
 
Peggy H. Breitenstein: Es scheint mir nicht sinnvoll, die teilweise brutalen und auch empörenden Stellen effektheischend nochmals zu zitieren, und zwar aus verschiedenen Gründen: Erstens, um das darin Geäußerte, das wir in der Regel recht schnell als diskriminierend erkennen, nicht zu reproduzieren; zweitens, um derart Zitiertes nicht aus dem Kontext zu reißen, denn gerade das ist einem reflektierten Umgang mit solchen Stellen nicht zuträglich. Drittens sind in meinen Augen weniger die isoliert betrachteten Äußerungen selbst brisant als vielmehr das, was mit ihnen verbun-den oder auch unvereinbar ist oder in das sie eingebettet sind. So lösen rassistische Äußerungen etwa in Texten Kants gerade dann echte Irritationen aus, wenn sie nicht als bloße Patzer oder gelegentliche chauvinistische Sprüche gelesen werden können. Für echte Irritation sorgt: dass Kant (und viele andere) weder als unbedacht noch als Gelegenheitstäter angesehen werden kann, etwa weil er sich mit Konzept und Theorie der Rasse minde-stens dreißig Jahre lang immer wieder beschäftigt hat; oder dass sich rassistische Auslassungen seinerseits auch in Grundlegungsschriften finden und den Zweck haben, etwas zu zeigen oder zu veranschaulichen; und nicht zuletzt, dass seine Darlegungen der Legitimierung von Sklaverei und Kolonialismus dienen konnten und das auch nachweisbar haben.
 
Dass all dies kein Zufall ist, nötigt erst zur für uns relevanten Frage, in welchem Verhältnis solche Darlegungen und Auslassungen zu den allseits bekannten Reden und Begründungen von universalem Menschenrecht und Menschenwürde stehen. Sicherlich müssen wir anders über letztere nachdenken, wenn diese evidenten Konzepte selbst im Denken Kants keinen Widerstand auslösten, wenn sie ihn also nicht zum Verzicht auf herab- oder gar entwürdigende Rede nötigen konnten.
 
Vehement zu kritisieren (in diesem Sinne „schlimm“) ist in meinen Augen zudem ein bisher im Fachdiskurs vorherrschender Umgang mit rassistischen oder auch sexistischen und antisemitischen Äußerungen. Hier begegnen immer wieder Argumentationsmuster, die tatsächlich empörend sind, weil sie letztlich alle mehr oder weniger deutlich auf Bagatellisierung oder Verdeckung hinauslaufen. Bagatellisiert werden die mit solchen Äußerungen verbundene Probleme etwa, wenn sie individualisiert werden, wenn sie also auf moralisierend gemeinte Fragen reduziert werden, wie etwa „War Kant ein Rassist?“. Damit wird die gesellschaftliche Dimension des Problems von vorn herein ausgeblendet, die gerade auch unsere Selbstreflexion anleiten sollte. Die möglichen und typischen Antworten auf diese Frage („K war nur Kind seiner Zeit“, „im Zeitgeist gefangen“, „konnte noch nicht wissen“ etc.) sind nicht nur in aller Regel durch Gegenstimmen widerlegbar, vor allem bringen sie uns nicht weiter. Das trifft ebenso zu auf exegetische Abwägungen („die diskriminieren Äußerungen entstammen nicht den eigentlich philosophischen Schriften“, „sie sind unvereinbar mit“, „werden aufgewogen durch“ etc.). Und auch analytisch scharfe Begriffsklärungen oder Unterscheidungen können bagatellisierend wirken, wenn ihre Zwecke und Konsequenzen nicht selbst noch einmal kritisch reflektiert werden. Durch spitzfindige Unterscheidungen etwa zwischen Rassismus, Semirassismus, Ethnizismus und Kulturchauvinismus oder zwischen bloßem Antijudaismus und Antisemitismus oder zwischen Sexismus und Chauvinismus können relevante strukturelle Gemeinsamkeiten dieser Diskriminierungsformen allzu leicht aus dem Blick geraten, gegen die wir heute und hier noch immer angehen müssen.
 
Wie sollen wir mit solchen Stellen umgehen?
 
Marina Martinez Mateo: Wie angedeutet, sollten wir, scheint mir, bei der Auseinandersetzung mit Rassismus und kolonialem Denken in der Philosophiegeschichte von der personalisierten Diskussion von Textstellen und einzelnen „Fällen“ wegkommen und weniger danach fragen, ob zum Beispiel Immanuel Kant oder Hannah Arendt jetzt tatsächlich Rassist:innen sind oder nicht, sondern vielmehr danach, welche begrifflichen Zusammenhänge und Denkweisen zu bestimmten rassistischen Äußerungen führen können oder diese zumindest ermöglichen. Darin liegt nicht nur die komplexe Aufgabe, den Rassismus (etwa) Kants und Arendts tatsächlich philosophisch zu untersuchen, sondern darüber hinaus auch (erstens) der Anspruch, Rassismus und Kolonialismus überhaupt als gewichtige Themen der Philosophie anzuerkennen, sowie (zweitens) Philosophiegeschichte nicht nur als Verwaltung kanonischer Autor:innen und Werke zu betreiben. Vielmehr braucht es dazu eine Philosophiegeschichte, die mit einem kritischen Blick ihre eigene Verwobenheit mit Herrschafts- und Gewaltverhältnissen in der Geschichte wie in der Gegenwart untersucht.
 
Im Rahmen der Lehre muss dieser Anspruch natürlich differenzierter verfolgt und je nach Situation und Rahmen angepasst werden: Handelt es sich um eine Einführungsvorlesung oder um einen vertiefenden Lektürekurs? Kommen rassistische Passagen direkt in der gemeinsamen Seminarlektüre vor, oder müsste man als Lehrperson selbst aktiv das Thema in das Seminar einbringen? Die Möglichkeiten und Ansprüche einer rassismuskritischen Auseinandersetzung mit der:dem diskutierten Autor:in sind freilich entsprechend unterschiedlich. Was mir aber in jedem Fall wichtig erscheint – auch dann, wenn das Thema womöglich nicht in zureichender Tiefe diskutiert werden kann – ist, Studierenden Information darüber mitzugeben, dass es diese rassismuskritischen Diskussionen gibt, dass sie relevant sind und dass sie womöglich nicht nur Nebenschauplätze darstellen, sondern zumindest potentiell auch unser Verständnis des philosophischen Werks der:des diskutierten Philosoph:in verschieben könnten. (Ich habe in meinem eigenen Studium nie auch nur ein Wort darüber gehört oder gelesen, dass Kant auch Rassentheoretiker ist – das ist etwas, das meines Erachtens in Zukunft anders sein sollte.) Wenn in der Seminarlektüre direkt menschenverachtende Textstellen vorkommen, muss dies in jedem Fall im Seminarraum thematisiert werden. Das heißt auch, dass eine Seminarsituation geschaffen werden muss, in der es den Raum gibt, um sensible (womöglich auch – und womöglich unter den Seminarteilnehmenden in unterschiedlicher Weise – persönlich sensible) Fragen zu thematisieren und Unbehagen zu äußern.
 
Franziska Dübgen: Zunächst müssen wir explizit benennen, welche Passagen in den Texten, die wir analysieren, potenziell rassistisch verletzende Aussagen beinhalten. Wir müssen diese Aussagen kontextualisieren, nach ihrer Funktion im Gesamttext und nach ihrem erkenntnistheoretischen Status fragen. Wir müssen zudem prüfen, ob das Ernstnehmen dieser Passagen unser Werkverständnis modifiziert und wenn ja, in welcher Hinsicht und im Hinblick auf welche Teilbereiche eines Werks. Wir sollten also zunächst überhaupt erst einmal dieses schwierige Textmaterial sichten, in die Lehr- und Forschungspraxis aufnehmen und uns dieser interpretatorischen Arbeit stellen. Wir dürfen die problematischen Passagen in unserem philosophischen Kanon nicht länger unseren Studierenden vorenthalten und damit unser philosophisches Erbe beschönigen, sondern sollten uns diesem Aspekt europäischer Philosophiegeschichte aktiv stellen.
 
Zudem erscheint es mir hilfreich, wenn wir uns dabei als Wissensautoritäten nicht allein auf anerkannte Größen der hiesigen Forschung beziehen, sondern Autor*innen in die Lehrpläne integrieren oder zu wissenschaftlichen Veranstaltungen einladen, die sich aus einer nicht-europäischen und nicht-„weißen“ Perspektive zu diesen Texten verhalten und unsere Aufmerksamkeit dafür schärfen, wo eurozentrische Grundannahmen verborgen liegen. Es gibt seit mehreren Jahrzehnten, ge-rade im angelsächsischen Raum, eine Fülle an Literatur zur Aufklärungsphilosophie aus einer dezidiert rassismuskritischen Perspektive, mit der wir uns in der deutschsprachigen akademischen Philosophie endlich aktiv auseinandersetzen sollten.
 
Peggy H. Breitenstein: Diese Frage lässt verschiedene Antworten zu, je nachdem, ob sie sich auf die grundlegende Textarbeit richtet oder auf darauf beruhende Darstellungen oder auch Kommentierungen philosophischer Werke.
 
Philosophie bleibt, meine ich, bei allem zu Recht geforderten Anschluss und Einschluss je gegenwärtiger gesellschaftlicher Fragen in überwiegenden Teilen der Forschung und Lehre textwissenschaftlich ausgerichtet. Sie bleibt daher darauf angewiesen, dass diskriminierende Passagen nicht nur explizit thematisiert, sondern selbstverständlich zugleich auch interpretiert, analysiert (nach Funktion, Status etc.), kontextualisiert (in Disziplin, Zeit, Werk etc.) werden. Wichtig scheint mir allerdings auch im Rahmen einer solchen Textarbeit schon, dass problematische Stellen oder Schriften von vornherein mit verschiedenen Methoden (z. B. hermeneutisch, dekonstruktivistisch, diskursanalytisch) erschlossen und aus verschiedenen Blickwinkeln (interdisziplinär sowie interkulturell) untersucht werden und dass sie außerdem mit anderen Texten anderer Autor*innen in Konstellationen gebracht werden. Nur so lassen sich vielfältige Lesarten integrieren sowie weiße Flecken und sicherlich auch Irrwege erkennen.
 
Nach diesen Prinzipien lassen sich in meinen Augen auch philosophische Überblickswerke, Lehrbücher sowie Kommentare anlegen: Zunächst einmal sollten die problematischen Stellen gut sichtbar thematisiert werden – in eigenen Kapiteln oder Abschnitten, wie die Kernthesen und Schlüsselbegriffen der jeweiligen Theorien auch. Darin wiederum könnten sie sowohl durch interdisziplinäre und interkulturelle Perspektiven als auch durch die Aufnahme vergessener oder bisher vernachlässigter Philosoph*innen dezentriert werden.
 
Sehen Sie auch in der gegenwärtigen Philosophie rassistische oder neokolonialistische Tendenzen?
 
Franziska Dübgen: Es besteht auch heute noch ein globales Gefälle in der Wissensproduktion, sogar zu Themen, welche Menschen im globalen Süden besonders interessieren, wie Fragen globaler Gerechtigkeit, Armut oder sozialer Ungleichheit. Es werden kaum Philosoph*innen aus Afrika oder Lateinamerika zu diesen Themen zitiert, und sie spielen bei internationalen Konferenzen, wenn überhaupt, eine marginale Rolle.
 
Die dominanten Wissenschaftssprachen sind weiterhin ehemalige Kolonialsprachen, sprich Deutsch, Englisch und Französisch. Verlage und wichtige Publikationsorgane befinden sich ebenfalls größtenteils im globalen Norden und sind zum Teil kaum zugänglich für Wissenschaftler*innen aus ehemaligen Kolonialländern. Viele Kolleg*innen aus Afrika berichten mir von Schwierigkeiten, in Zeitschriften des globalen Nordens zu publizieren, weil sie keine Kontakte zu Redaktionsmitgliedern haben, die internen Protokolle zur Einreichung und Überarbeitung von Aufsätzen nicht kennen und in anderen Wissenschaftskulturen sozialisiert worden sind, was sich u. a. in ihrem Schreibstil manifestiert. Rankings von Zeitschriften und Universitäten basieren ohnehin häufig auf Normen und Standards, welche Institutionen im angelsächsischen Raum favorisieren; Universitäten und Zeitschriften im globalen Süden werden teilweise erst gar nicht evaluiert.
 
Letztlich ist auch der Zugang zu philosophischer Literatur für Forscher*innen im globalen Süden häufig limitiert, da sich ihre Bibliotheken die horrenden Gebühren für den Einkauf von Zeitschriften und Monografien renommierter Verlage nicht leisten können. Es gibt immer noch viel zu wenig open access-Publikationen. In Deutschland sind unsere Philosophieinstitute auch noch personell zu wenig internationalisiert, was sowohl das akademische als auch nichtwissenschaftliches Personal anbelangt. Es ist beispielweise häufig schwierig, Visa für Promovierende und deren Familien zu erhalten und es bedarf hierfür besserer Unterstützungsstrukturen. Und schließlich ist auch die philosophische Lehre eng am abendländischen Kanon orientiert und noch zu wenig offen für nicht-westliche Perspektiven. Es gibt noch eine ganze Menge zu tun.
 
Marina Martinez Mateo: Die einfachste Antwort auf diese Frage lautet: Solange es Rassismus in der Welt gibt, wird es auch in der Philosophie Rassismus geben. Gleichzeitig gilt: Ebenso wie es historisch und kontextabhängig unterschiedliche Formen von Rassismus gibt, so sind auch die Rassismen (in) der Philosophie historisch je unterschiedlich. Man müsste sich also zunächst einmal klarer darüber werden, was genau gemeint ist, wenn von „rassistischen oder neokolonialistischen Tendenzen“ die Rede ist. Sicherlich könnten bestimmte Aussagen über nichtweiße Menschen, aber auch über Frauen, wie sie Kant und Hegel offenbar unproblematisch erschienen (trotz zeitgenössischer Kritik), heute nicht in derselben Weise in einem wissenschaftlichen bzw. philosophischen Rahmen publiziert werden. Doch welche Aussagen gelten heute womöglich vielen (weißen) Philosoph:innen als unproblematisch, weil (ebenso wie damals bei Kant und Hegel) kritische Stimmen nicht ernsthaft genug vernommen und anerkannt werden? Heute ist das vielleicht weniger die explizite Abwertung von Personen auf der Grundlage von (angenommenen) phänotypischen Markern, sondern eher – wie viele Philosoph:innen der Critical Philosophy of Race und Critical Race Theory immer wieder hervorheben – die Annahme, dass race und Rassismus keine Rolle spielten oder dass die weiße, europäische (männliche, bürgerliche) Perspektive universell sei und sich nicht als eigentliche Perspektive bestimmen müsse. Oder es ist eben schlicht die unreflektierte und unthematisierte Reproduktion von Ausschlüssen auf institutioneller Ebene bzw. auf der Ebene von Zitationspraktiken.
 
Und an diesem Punkt ist es wichtig, die Ebene zu wechseln: Denn Philosophie ist nicht nur Geschriebenes, sondern auch eine institutionalisierte Praxis, die an Universitäten und Akademien stattfindet, von Zugangsbedingungen abhängt und konkreten Personen potentiell Status und Lebensunterhalt bietet. Auf dieser Ebene ist die Philosophie auch heute noch eine äußerst weiße und äußerst männliche Institution – schaut man etwa auf die Vergabe von Professuren oder Post-Doktorand:innen-Stellen oder auch nur auf die Verteilung von Redeanteilen in Lehrveranstaltungen. Für migrantisierte und rassifizierte Personen scheint die Philosophie auch heute noch – besonders in Deutschland – kein offener Ort zu sein.
 
Was kann die Philosophie dazu beitragen, Rassismus und Kolonialismus zu überwinden?
 
Marina Martinez Mateo: Es scheint mir sehr wichtig zu betonen, dass die Philosophie Methoden und Begriffe bereithält, um unser Verständnis von Rassismus zu schärfen, um ihn auf seine Hintergründe und Zusammenhänge hin zu befragen sowie um rassistische Praktiken und Verhältnisse zu kritisieren. Die Criti-cal Philosophy of Race hat hierzu wichtige Anstöße gegeben – etwa in Diskussionen darum, wie die soziale Wirklichkeit von race zu verstehen ist oder mit welchen Formen der Wahrnehmung und des Wissens Rassismus verbunden ist; darum, was genau die Perspektive der Intersektionalität leisten kann oder wo Antirassismus ansetzen müsste. Auch der Beitrag der Philosophiegeschichte scheint mir zum Verständnis dieser Fragen entscheidend. Doch um diesen philosophischen Möglichkeitsraum tatsächlich zu entfalten und auszuschöpfen, müsste es in der Philosophie zunächst ein klareres Verständnis darüber geben, dass sie ihn überhaupt haben kann.
 
Franziska Dübgen: Die Frage der Kanonisierung ist eine kontinuierliche wissenschaftliche Aufgabe und wir müssen die eminente Stellung etablierter Autor*innen in unseren Curricula etwas dezentrieren, wenn wir weniger bekannten Stimmen aus der Ideengeschichte mehr Raum zugestehen möchten. Die Blütezeiten erlebte die Philosophie häufig in Phasen des intensiven interreligiösen und interkulturellen Austausches, den wir erneut verstärkt fördern sollten.
Wir können zudem Begriffe schärfen, die Rassismen sozialphilosophisch zu beschreiben und normativ zu skandalisieren vermögen.
Und zuguterletzt erscheint es mir wichtig, dass wir uns kritisch mit den eigenen ethnozentrischen und widersprüchlichen Vorannahmen befassen, die auch weiterhin die Imagination vieler hiesiger Forscher*innen bevölkern und innerhalb des Philosophierens Ausschlüsse reproduzieren und Fehlschlüsse zulassen. Statt uns über die Schattenseiten der Aufklärung zu erheben, sollten wir demütig versuchen, den eigenen Prozess des Philosophierens und unsere philosophische Sprache inklusiver, sensibler und offener zu gestalten – ohne dabei auf intellektuelle Tiefenschärfe, geistige Provokation und kritische Kontroverse zu verzichten.
 
Ganz unerwartet wird Kant plötzlich des Rassismus verdächtigt. Wie ernst ist das zu nehmen?
 
Pauline Kleingeld: Wir sollten das sehr ernst nehmen. Die philosophische Aufmerksamkeit für Kants Rassismus ist übrigens nicht neu. Die Diskussion wird in der Kant-Forschung bereits seit den 1990er Jahren geführt: zunächst in einem kleinen Kreis, der sich aber ständig vergrößert hat. Jetzt hat die Diskussion auch die breitere Öffentlichkeit erreicht.
 
Kant ist berühmt als Verteidiger der moralischen Gleichheit und Würde aller Menschen. Seine praktische Philosophie ist noch immer ein positiver Bezugspunkt für den heutigen moralischen Universalismus. Es gibt aber auch eine ganze Menge unmissverständlicher Textbelege, die zeigen, dass Kant tatsächlich bis etwa 1794 – also einschließlich des Jahrzehnts der Grundlegung und der drei Kritiken – eine Rassenhierarchie verteidigt hat. Während der 1780er Jahre vertritt er eine hierarchische Konzeption der geistigen und handlungsbezogenen Fähigkeiten der vier sogenannten Rassen: die ‚Rasse der Weißen‘ sei den anderen ‚Rassen‘ überlegen. Er hat diese These zudem mit einer Verteidigung des europäischen Kolonialismus und der Versklavung von ‚Nicht-Weißen‘ verbunden. Wie ich in verschiedenen Veröffentlichungen zu zeigen versucht habe, hat Kant um 1794 seine Position aber radikal geändert. Er hat die Rassenhierarchie aufgegeben und wurde ein scharfer Kritiker des europäischen Kolonialismus.
 
Kants tiefgreifender Meinungswechsel erklärt, weshalb einige Autoren in der heutigen Diskussion mit Kantischen Textstellen argumentieren konnten, Kant sei ein Rassist, während andere Autoren ebenfalls mit Textstellen argumentieren konnten, er sei ein Anti-Rassist. Es gibt tatsächlich beide Positionen bei Kant, aber, soweit ich habe feststellen können, entstammen sie verschiedenen Perioden.
 
In mehreren Vorlesungen der 1780er Jahre über Anthropologie und über Physische Geographie behauptet Kant, die Ureinwohner Amerikas würden die niedrigste ‚Rasse‘ bilden, weil sie, so sagt er, unempfindlich, dumm, und unfähig aller Kultur seien. Afrikaner würden eine höhere Stufe einnehmen, weil sie als Knechte und Sklaven dienen könnten. Sie seien aber ‚zu allem ungeschickt, wozu Verstand erfordert wird‘. Inder hätten mehr Talente, aber ihnen fehle die Fähigkeit zu abstraktem Denken. Bei den ‚Weißen‘ dagegen finde man alle geistigen und handlungsrelevanten Vermögen. Kant verteidigt diese Rassenhierarchie nicht nur in diesen Vorlesungen, sondern auch in veröffentlichten Werken, wie z. B. in dem Aufsatz "Über den Gebrauch teleologischer Prinzipien in der Philosophie", der nur wenige Monate nach der Kritik der praktischen Vernunft erschien. In diesem Aufsatz pflichtet er zudem einem anti-abolitionistischen Traktat bei.
 
Kant beruft sich auf diese Rassenhierarchie, wenn er die europäische Kolonialherrschaft befürwortet. Er behauptet, Afrikaner und Amerikas Ureinwohner seien nicht fähig sich selbst zu regieren, die Völker Indiens würden europäische Herrschaft ‚verdienen‘ und sie seien dann viel ‚glücklicher‘.
 
Diese Belege erklären, weshalb Kant – bis Mitte der 1790er Jahre – den Kolonialismus und die Sklaverei nicht kritisiert. Er informiert sogar seine Studenten über die unterschiedlichen Sklaven, die ‚man‘ für verschiedene Arten von Arbeit ‚benötigt‘. Er bemerkt, dass ‚Neger dazu gemacht zu sein [scheinen], andern zu dienen‘, und gleichsam für die harten Arbeitsbedingungen in der Karibik ‚geschaffen‘ worden seien. Er erzählt seinen Studenten, wie viele Sklaven jährlich ‚gekauft werden müssen‘ und aus welcher Afrikanischen Region die ‚allerbeliebtesten‘ kommen. Kants Perspektive hier ist klar.
 
Diese Aussagen entstammen der Periode, in der Kant seine universalistische Moralphilosophie entwickelte: eine Moralphilosophie, die die Würde des Menschen betont und es verbietet, andere Menschen ‚bloß als Mittel‘ zu gebrauchen – obwohl Sklaverei natürlich gar nichts anderes ist als gerade das.
 
Wir sehen uns heute also vor wichtige Fragen gestellt: Zeigt Kants Verteidigung dieser Rassenhierarchie, dass sein moralischer Universalismus nur Schein ist, und sollten wir den kategorischen Imperativ umformulieren in ein Prinzip für Weiße –und außerdem vielleicht nur für weiße Männer? Oder lässt sich der Kant der Rassenhierarchie vom Kant des kategorischen Imperativs trennen, und dürfen wir die Rassenhierarchie als obsolet zur Seite schieben?
 
Mir scheinen beide Alternativen unbefriedigend zu sein. Wir sollten uns stattdessen dessen bewusst bleiben, dass Kant den kategorischen Imperativ zwar rasseneutral formuliert, und dass er ihn sogar als gültig für ‚alle endlichen Vernunftwesen‘ überhaupt betrachtet, dass er aber zugleich in der Anwendung rassespezifische Einschränkungen vornimmt. Meines Erachtens ist es wichtig, diese Spannung anzuerkennen. Die rasseneutrale Formulierung des Prinzips ermöglicht es uns, Kant mit Kant zu kritisieren; aber Kants rassespezifische Anwendung des Prinzips erfordert, dass wir nicht naiv damit umgehen. Wir sollten dem Einfluss von Kants Rassenhierarchie auf andere Teile seiner praktischen Philosophie nachgehen. Wir sollten sie also ernst nehmen.
 
Kants Position hat sich aber während der kritischen Periode entscheidend geändert. Etwa um 1794 wird Kant ein lautstarker Kritiker des Kolonialismus, den er fortan als ‚Ungerechtigkeit‘ und ‚Unterdrückung‘ verurteilt. Die Sklaverei- und Kolonialismuskritik, für die Kant zu Recht bekannt geworden ist, entstammt dieser späten Periode und findet sich vor allem in Zum ewigen Frieden und der Metaphysik der Sitten. Die Rassenhierarchie verschwindet und taucht in der veröffentlichten Fassung der Vorlesungen über Anthropologie (1798) nicht mehr auf.
 
Zur gleichen Zeit führt Kant eine neue Kategorie des öffentlichen Rechts in seine Theorie ein, nämlich das Weltbürgerrecht. Nach dem Weltbürgerrecht hat kein Staat und kein Mensch das Recht, von anderen Menschen bereits genutztes Land zu besiedeln oder zu vereinnahmen, es sei denn, dies ist ausdrücklich durch einen Vertrag erlaubt.
 
Kants Einführung des Weltbürgerrechts zeigt musterhaft, dass die Überwindung des Rassismus oft weit mehr erfordert als das Streichen explizit rassistischer Aussagen. Kant hat anerkannt, dass seine Verurteilung des Kolonialismus ein Rechtsprinzip erforderte, dass es bisher in seinem Werk noch nicht gab. Ob Kant damit weit genug gegangen ist, ist natürlich eine andere Frage.
 
Marcus Willaschek: Dieser Verdacht ist für alle, die mit Kants Werk und der Kant-Literatur vertraut sind, keineswegs unerwartet und plötzlich. Die entsprechenden Schriften und Äußerungen Kants, auf die er sich bezieht, sind ja seit über 200 Jahren bekannt und spätestens seit der Jahrtausendwende gibt es eine wissenschaftliche Auseinandersetzung über die Frage, ob und inwieweit Kant ein Rassist war. Diese Debatte hat in Deutschland jedoch lange keine öffentliche Aufmerksamkeit gefunden, weil, so meine Vermutung, man den Rassismus bei uns (von einigen Neonazis abgesehen) für weitgehend überwunden hielt.
 
Verschiedene Faktoren, nicht zuletzt die Black-Lives-Matter-Bewegung, haben jedoch dazu geführt, dass jetzt auch in Deutschland der unterschwellige Rassismus im Alltag, die offene oder verdeckte, oft unbewusste Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, in den Fokus gerückt ist. Damit verschiebt sich ein Stück weit auch das, was mit „Rassismus“ primär gemeint ist: Rassismus, das sind eben nicht nur die Nürnberger Rassengesetze oder das Apartheidregime in Südafrika, sondern auch das verbreitete Racial Profiling durch die deutsche Polizei oder die Tendenz, in der U-Bahn lieber nicht neben einem Menschen mit dunkler Hautfarbe zu sitzen. In dieser Hinsicht können sich wohl die wenigsten Menschen ganz von rassistischen Denk- und Wahrnehmungsmustern freimachen. Es ist wichtig, diese Muster offen anzusprechen, um ihnen entgegenwirken zu können, denn die Auswirkungen auf die so Diskriminierten sind zwar mit denen von Rassegesetzen und Apartheid nicht zu vergleichen, aber trotzdem ein großes gesellschaftliches Unrecht.
 
Wenn man unter Rassismus also ganz allgemein die Herabsetzung von Menschen aufgrund Ihrer Hautfarbe und ähnlicher biologischer Merkmale versteht, dann kann es nach meinem Eindruck keinen Zweifel daran geben, dass Kant ein Rassist war, denn er vertrat über Jahrzehnte eine Rassenhierarchie mit den „Weißen“ an der Spitze und den angeblich nicht kulturfähigen Ureinwohnern Amerikas am untere Ende der Skala. Hinzu kommen zahlreiche abfällige Äußerungen über dunkelhäutige Menschen in Veröffentlichungen und Vorlesungen aus verschiedenen Jahrzehnten. Damit stand Kant in seiner Zeit natürlich nicht allein. Aber er hat auch eine Theorie der Menschenrassen entwickelt, die ihn zu einem Vorläufer des wissenschaftlich verbrämten Rassismus des 19. Jahrhunderts gemacht hat. Dabei sind Rassenhierarchie, Rassentheorie und einzelne rassistische Äußerungen Kants zwar logisch voneinander unabhängig, aber in Kants Werk aufs engste verflochten. Auch wer vor der Verwendung des Etiketts „Rassismus“ mit Blick auf Kant zurückschreckt, wird die relevanten Tatsachen (Kants Rassenhierarchie und -theorie, seine herabsetzenden Äußerungen über Menschen dunkler Hautfarbe) nicht leugnen können. Sie sind seit langem bekannt. Wir sind inzwischen nur sensibler geworden, was ihre Bedeutung angeht. Kurz gesagt: Da Rassismus ein gravierendes gesellschaftliches Problem ist, müssen wir auch Kants Rassismus ernst nehmen.
 
Allerdings bin ich nicht der Meinung, dass Kants Rassismus für das Verständnis seiner Philosophie insgesamt von zentraler Bedeutung ist. Viele Aspekte seines Denkens sind davon überhaupt nicht berührt, andere nur am Rande. Doch um diese Unterscheidungen treffen zu können, müssen wir Kants Rassedenken erst einmal genauer in den Blick nehmen und sein Verhältnis zu anderen Teilen seiner Philosophie untersuchen. Da ist noch einiges an Arbeit zu leisten. Es ist mir jedoch sehr wichtig festzuhalten, dass Kants Rassismus natürlich kein Grund ist, seine Philosophie insgesamt zu verwerfen oder sich mit ihr nicht mehr zu beschäftigen. Ganz im Gegenteil: Kants Werk ist von bleibender und herausragender Bedeutung. Gerade deshalb ist es so wichtig, sich auch mit Kants Irrtümern und Fehleinschätzungen auseinanderzusetzen.
 
Wie lassen sich Kants Bemerkungen über Menschenrassen mit seinem moralischen Universalismus vereinen?
 
Pauline Kleingeld: Buchstäblich genommen lassen sie sich gar nicht vereinen. Kants Verteidigung der Sklaverei ist offensichtlich unvereinbar mit dem Verbot, andere Menschen bloß als Mittel zu gebrauchen. Das hat er später selbst auch eingesehen.
 
Falls die Frage aber ist, wie Kant sie für sich vereint hat, so ist die Antwort: mittels der These der Rassenhierarchie. Einerseits formuliert er allgemeine Prinzipien die für alle Menschen, ja für alle endlichen Vernunftwesen gelten sollen. Andererseits unterstellt er, es gebe rassenspezifische Defizite, die erklären würden, weshalb die Prinzipien nicht gleichermaßen auf alle Menschen angewendet werden könnten.
 
Marcus Willaschek: Hier muss man zwischen verschiedenen Aspekten des Kantischen Denkens unterscheiden. Kants Theorie der Menschenrassen ist eine (aus heutiger Sicht falsche) wissenschaftliche Theorie über die Vererblichkeit biologischer Merkmale, wobei für Kant Haut- und Haarfarbe als Rassemerkmale im Vordergrund stehen. Diese Theorie als solche hat, soweit ich sehen kann, keine unmittelbaren moralphilosophischen Implikationen. Manchmal klingt es aber so, als würde Kant diese Theorie auch auf Merkmale wie Intelligenz, Faulheit, Kulturfähigkeit etc. beziehen, und dann ist zumindest fraglich, ob sie mit seiner universalistischen Moralphilosophie, die allen Menschen gleiche Rechte zugesteht, vereinbar ist. Kants pauschale herabsetzende Aussagen über Menschen mit dunkler Hautfarbe hingegen verletzen sein Gebot, allen Menschen die gleiche Achtung entgegenzubringen (wobei man genau genommen allerdings zwischen der Achtung vor der „Menschheit“ in einer Person und der Achtung vor dieser Person selbst unterscheiden muss). Das Verhältnis zwischen Kants Aussagen über Menschenrassen und seinem Universalismus ist also, um es vorsichtig zu sagen, komplex.
 
Einige Kant-Forscher sehen hier gar keinen Widerspruch, weil Kant alle Menschen auf einen gemeinsamen Ursprung zurückführe und auch den „nicht-weißen“ Rassen das Menschsein nicht abspreche. Das ist zwar richtig, aber Kant knüpft Menschenwürde und gleiche Rechte gerade nicht an die Zugehörigkeit zur biologischen Spezies Mensch, sondern an Vernunft und Willensfreiheit. Das führt schon zu Problemen, wenn man an kleine Kinder oder Personen mit einer psychischen Erkrankung oder Demenz denkt. Diese werden noch gravierender, wenn bestimmten Menschengruppen qua „Rasse“ die Vernunftfähigkeit nur eingeschränkt zugestanden wird. Hier hat Kants moralischer Universalismus eine Schwachstelle, die ihn anfällig für Versuche macht, bestimmte Gruppen (Nicht-Weiße, Frauen, Juden) aus der Gruppe der vollwertigen Mitglieder der moralischen Gemeinschaft auszuschließen. Ich glaube nicht, dass dieses Problem unlösbar ist, aber es wirft Fragen auf, denen die Kant-Forschung und eine an Kant anknüpfende Ethik sich stellen müssen.
 
Was ist Ihr persönliches Fazit dieser Diskussion?
 
Marcus Willaschek: Für ein Fazit ist es noch zu früh. Nachdem die Wellen der in den Medien ausgetragenen Debatte sich gelegt haben, kommt es nun auf eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Thematik „Rassismus“ nicht nur mit Blick auf Kant, sondern die gesamte philosophische Tradition an. Meines Wissens sind zurzeit mehrere Tagungen, Workshops und Forschungsprojekte in Vorbereitung, die sich dieses Themas annehmen. Wenn die öffentliche Debatte dazu beigetragen hat, auf das Thema aufmerksam zu machen und zu einer tiefergehenden Auseinandersetzung anzuregen, hätte sie sich schon gelohnt.
 
Pauline Kleingeld: Ich finde es sehr wichtig, dass diese Diskussion jetzt breit geführt wird. Wir sollten uns klarmachen, wo und wie rassistische Annahmen explizit oder implizit eine Rolle in Kants Werk spielen. Zudem sollten wir uns die Frage stellen, was zu tun ist, um den Rassismus historischer Autoren wirklich zu überwinden, vor allem wenn es Autoren wie Kant betrifft, deren Verteidigung von Idealen wie Freiheit, Gleichheit, und Menschenwürde noch immer philosophisch anregt. Mit der Einführung des Weltbürgerrechts hat Kant selbst bereits gezeigt, dass eine solche Überwindung mehr erfordert als nur die Streichung von explizit rassistischen Passagen. Die Diskussion der Frage, ob dazu noch weitere positive Änderungen auf theoretischer Ebene nötig sind, ist noch keineswegs abgeschlossen.
 
Wie steht es bei Hegel hinsichtlich Rassismus und Kolonialismus?
 
Daniel James/Franz Knappik: Nicht gut – zumindest nicht beim Hegel der Berliner Jahre (1818-1831). Was Rassismus angeht, sind aus dieser Zeit etliche Vorlesungsnachschriften überliefert, in denen Hegel eine Theorie der „Menschenrassen“ entwickelt und dabei den „Rassen“ auch unterschiedliche geistige Fähigkeiten bzw. Defizite zuschreibt. Insbesondere Menschen, die aus dem subsaharischen Afrika stammen, werden von Hegel als sinnlich, gedankenlos, ohne Bewusstsein von Persönlichkeit und Freiheit beschrieben. Doch auch bei indigenen Amerikaner:innen spricht Hegel von „geistiger Inferiorität“. Europäischstämmigen Menschen schreibt Hegel hingegen Bildungstrieb, Freiheitsstreben und Denken zu. Dass in Hegels Zeit in Südamerika unabhängige Staaten entstanden sind, sieht er in Zusammenhang damit, dass sich die indigenen Völker, die an sich an „Schwäche und Stumpfsinn“ leiden, durch gemeinsame Nachkommen mit „europäischem Blut“ vermischt haben.
 
Im europäischen Kolonialismus sieht der Berliner Hegel nicht ein System der Ausbeutung und des physischen wie kulturellen Genozids, sondern ein „absolutes Recht“ der zivilisatorisch überlegenen Völker sowie ein Mittel, durch das die modernen bürgerlichen Gesell-schaften in Europa ihr Armutsproblem in den Griff bekommen können. Und er argumentiert sogar, dass koloniale Sklaverei zwar an sich Unrecht sei, aber aufgrund der „Rasse“-bedingten geistigen Defizite der Versklavten auch eine wichtige Bildungsfunktion habe – eine notwendige „Stufe der Zucht“, die man nur gradweise abschaffen sollte. Besonders überrascht hat uns bei unserer Forschung, wie wenig Grundlage es für die Abwehrreaktionen heutiger Leser:innen gibt. Hegel war kein Kind seiner Zeit, es gab auch damals Kritiker von Rassismus, Kolonialismus und Sklaverei, und einige davon waren Hegel nachweislich bekannt. Und seine diesbezüglichen Ausführungen sind nicht bloße persönliche Meinungen außerhalb der Philosophie, vielmehr sind sie sorgfältig in Hegels System integriert und stehen in engem Zusammenhang mit wichtigen Hegelschen Themen wie der Herr-Knecht-Dialektik, dem Freiheitsbegriff und dem Geschichtsverständnis.
 
Klaus Vieweg: Einen wissenschaftlich seriösen Zugang bietet Hegels Hauptwerk zur praktischen Philosophie, die Grundlinien der Philosophie des Rechts, speziell das dort entfaltete Begriffsgeflecht von Recht, Anerkennung und Freiheit mit dem universalistischen Kerngedanken der zu konstituierenden Freiheit aller besonderen Einzelnen. Fundamentale Relevanz für die begrifflich fundierte Ablehnung jeglichen Rassismus und Kolonialismus besitzt § 209: Es gehört ‚dem Denken, dass Ich als allgemeine Person aufgefasst werde, worin Alle identisch sind.‘ Mit der Kursivierung des Wortes Denken zielt Hegel auf das begreifende Denken, den Begriff als Einheit des Allgemeinen, Besonderen und Einzelnen, ein Gedanke, der nicht europäisch, sondern universal ist – so wie der Satz des Pythagoras kein indischer oder griechischer Gedanke. ‚Der Mensch gilt so, weil er Mensch ist, nicht weil er Jude, Katholik, Protestant, Deutscher, Italiener usf. ist‘. Jeder Separierung in Berechtigte und Rechtlose fehlt die theoretische Legitimation, entscheidend bleibt das Prinzip gleicher Rechte Aller aufgrund ihres Mensch-Seins. Dieses absolute, unantastbare Recht auf gleiche Rechte besteht unabhängig davon, ob der Mensch Chinese, Afrikaner Inder, Grieche oder Azteke ist, unabhängig von Kultur, Geschlecht, Hautfarbe, Alter etc. – das Prinzip der Anerkennung allgemeiner Menschenrechte, das universelle Anti-Diskriminierungsprinzip. Darauf stützt sich die von Hegel vehement vertretene Abwehr jeglicher Knechtung, jeglicher Exklusion, eine wissenschaftliche Delegitimierung von Rassismus und Kolonialismus. Sklaverei oder Knechtschaft kann in der Geschichte als bestehendes, positives Recht sein, niemals Vernunftrecht. Im Status „Sklave‘ bzw. ‚Knecht‘ liegt ein fundamentaler Verstoß gegen den Begriff des Menschen als eines freien Wesens vor. Dies gilt auch für das kolonialistische Muster ‚Herrenstaat‘ und ‚Knechtsstaat‘ als Form der Versklavung. Der Mensch wird in ‚seinem unendlichen Wert‘, in ‚seiner unendlichen Berechtigung‘ nicht anerkannt.
 
Gerade dieser Kernbestand Hegelschen Denkens wird von D. James und F. Knappik (in:
https://www.praefaktisch.de/hegel/warum-wir-ueber-die-rassistischen-und-pro-kolonialistischen-elemente-in-hegels-denken-reden-muessen-replik-auf-folko-zander-teil-1/)
ohne Argumentation diskreditiert: der Universalismus, die Aussagen über die Gleichberechtigung aller Menschen gelten als ‚weniger interessant‘!! Für Hegel hingegen war der weltbürgerliche Gedanke von ‚unendlicher Wichtigkeit‘. Stattdessen werden ‚rassistische und pro-kolonialistische Positionen‘ unterstellt, diese sollen in ‚engen systematischen Zusammenhängen‘ mit wichtigen Teilen der Hegelschen Philosophie stehen. Vorliegende Studien über Hegels Denken von Anerkennung und Freiheit werden respektlos ignoriert. Solche Kritik arbeitet jedoch implizit mit dem Anti-Diskriminierungsprinzip, – man sägt am Ast, auf dem man sitzt. Ebenso bleibt Hegels scharfe Auseinandersetzung mit dem Antijudaismus, einer Extremform des Rassismus (S. Neiman), unerwähnt. Dies gilt auch für Hinweise auf die Angriffe von Hitler und Rosenberg: Hegel habe die Judenfrage nicht als Rasseproblem begriffen, stattdessen der Abstraktion Mensch und einer ‚allgemeinen Entwicklung der Menschheit‘ gehuldigt. Universalistisch-weltbürgerliches Denken und der Anspruch auf Wissenschaft im Sinne Hegels sollte heute gegen alle Relativismen verteidigt werden, besonders gegen die Diskreditierungsversuche im Gefolge der Cancel Culture.
 
Was heißt dies für die Bedeutung von Hegel?
 
Daniel James/Franz Knappik: Dass rassistische und kolonialapologetische Elemente derart in Hegels System integriert sind, ändert unseres Erachtens nichts daran, dass Hegel aufgrund seiner philosophischen Originalität und seines Einflusses einen festen Platz im philosophischen Kanon haben sollte. Eine aufrichtige Einschätzung seiner Bedeutung muss aber auch die Schattenseiten seines Werks und Erbes berücksichtigen und dementsprechend ambivalenter ausfallen als gehabt. So haben etwa Kevin Harrelson und Andrea Long Chu aufgezeigt, dass Hegels Verständnis von Freiheit als einer individuellen und kollektiven Errungenschaft Befürworter der Sklaverei wie den Südstaaten-Delegierten und Wegbereiter der Segregation Lucius Lamar ebenso inspiriert hat wie Martin Luther King und seine Auffassung schwarzer Befreiung.
 
Eine Neueinschätzung von Hegels Bedeutung in ihrer Ambivalenz erfordert, dass solche bisher marginalisierten Perspektiven und Kontexte allererst erforscht werden. Wenn Hegel etwa behauptet, die haitianische Revolution sei nur durch die Leistungen des Kolonialismus möglich geworden, wäre es wichtig, seine paternalistische Sicht mit dem Selbstverständnis der Revolutionäre zu konfrontieren.
 
Schließlich ist Hegels Philosophie nicht nur deswegen wert, erforscht und gelehrt zu werden, weil sie eine Quelle für Einsichten ist. Gerade weil es bei Hegel neben viel Licht auch viel Schatten gibt, ermöglicht er es aus unserer Sicht, auch auf eine andere Weise aus der Geschichte zu lernen: Wie kommt es etwa, dass ein aufklärerisches Ideal wie das der Freiheit mit einer Apologie der Sklaverei einhergeht? Gerade weil jene Ideale bis heute fortwirken, kann die Beschäftigung mit Hegel uns dabei helfen, problematische Seiten an ihnen zu hinterfragen. Auch und gerade hierin sehen wir einen in der Erforschung ebenso wie der Erinnerung Hegels bislang vernachlässigten Aspekt seiner Bedeutung.
 
Klaus Vieweg: Für eine erforderliche Bildung zur Freiheit, für die Auseinandersetzung mit Rassismus, Nationalismus und Populismus bleibt das begreifende Denken, die Anstrengung des Begriffs mehr denn je gefordert, hier speziell die Betonung der Freiheit aller besonderen Einzelnen. Die präzise Unterscheidung von historischer Beschreibung und theoretischer Rechtfertigung ist eine unverzichtbare Bedingung für eine adäquate Interpretation. Statt des Insistierens auf nichtauthentische Stellen aus Vorlesungsnachschriften, statt der Geringschätzung der Hauptwerke und der ernsthaften Hegel-Forschung, statt Anbiederung an die marktschreierische Mode, geht es um Kerngedanken von Hegels Denken von Freiheit und Gerechtigkeit, um eine gründliche Herausarbeitung seines universalistischen Prinzips als Fundament für Anti-Rassismus und Anti-Kolonialismus.
 
In Jena steht in dieser Hinsicht insbesondere Jakob Friedrich Fries (1773-1843) im Mittelpunkt. Wie verläuft diese Diskussion?
 
Peggy H. Breitenstein:Der angesprochene Fries, bekennender Kantianer und Philosophieprofessor in Jena, ist heute über die Fachgrenzen hinaus vor allem für seine antisemitischen Äußerungen bekannt, besonders für eine Polemik mit dem unmissverständlichen Titel „Ueber die Gefährdung des Wohlstandes und Charakters der Deutschen durch die Juden“ (1816). Trotz dieser Auslassungen ist ihm zu Ehren 2000 am Jenaer Institut für Philosophie eine Büste aufgestellt worden, die wiederum 2019, als im Stadtrat die Umbenennung des Frieswegs gefordert wurde, in den Fokus der Öffentlichkeit geriet. Unser Team am Arbeitsbereich Praktische Philosophie hat daraufhin zwei Forschungsseminare organisiert, in denen wir mit Studierenden neben der Geschichte dieser Aufstellung auch die Argumente untersucht haben, mit denen sie damals begründet wurde. Aufschlussreicher Weise haben wir all die bereits angesprochenen Argumentationsmuster gefunden, die in diesem Zusammenhang dazu dienen, Fries‘ bekannte judenfeindliche Äußerungen zu bagatellisierenden: Fries sei ein Klassiker der Philosophiegeschichte – Kind seiner Zeit und ungünstiger Umstände, aber doch zu Unrecht vergessen; seine antisemitischen Äußerungen seien eigentlich antijudaistisch, und seien zwar schlimm, hätten aber mit seiner eigentlichen Philosophie, besonders der Politischen Philosophie und Ethik nicht vereinbar etc.
 
Wir haben die Argumente auf Grundlage genauer Textarbeit geprüft und konnten in den Wissensarchiven zudem zahlreiche kritische zeitgenössische Gegenstimmen finden. Die Ergebnisse haben wir zunächst im Rahmen eines umfangreichen Werkstattberichts online publiziert (https://wieumgehenmitrsa.uni-jena.de/fries-werkstatt/) und sodann eine komplexe Webseite erstellt (https://erinnerngestalten.uni-jena.de/), die wir nun im Rahmen verschiedener öffentlicher Veranstaltungen auch präsentieren und diskutieren (z.B. im Rahmen der städteübergreifenden Veranstaltungsreihe „Kein Schlussstrich!“ zum NSU-Komplex). Über sie können sich alle interessierten Menschen allein oder gemeinsam über unsere exemplarische Aufarbeitung informieren und sind außerdem zur Um- oder Mitgestaltung der Friesbüste bzw. des Seminarraums eingeladen, in dem sie derzeit verhüllt steht.
 
Die Stellungnahmen sind unabhängig voneinander per Email von der Redaktion erhoben worden. Die AutorInnen hatten keine Kenntnisse von den Texten der anderen.
 
UNSERE AUTORINNEN UND AUTOREN
 
Peggy H. Breitenstein ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Philosophie der Universität Jena. Franziska Dübgen istProfessorin für Philosophie mit den Schwerpunkten Politische Philosophie und Rechtsphilosophie an der Universität Münster. Daniel James ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Philosophischen Seminar der Universität Düsseldorf. Pauline Kleingeld istProfessorin für Philosophie mit den Schwerpunkten Politische Philosophie und Ethik an der Universität Groningen. Franz Knappik ist Professor für Philosophie an der Universität Bergen. Marina Martinez Mateo ist Juniorprofessorin für Medien- und Technikphilosophie an der Akademie der Bildenden Künste München. Klaus Vieweg ist apl. Professor für Philosophie an der Friedrich Schiller Universität Jena, und Marcus Willaschek ist Professor für Philosophie an der Goethe-Universität Frankfurt.
 
Die Textbelege zur Kant-Diskussion finden sich bei:
 
• Kleingeld, Pauline. 2007. ‘Kant’s Second Thoughts on Race.’ The Philosophical Quarterly 57: 573-592.
• Kleingeld, Pauline. 2014. ‘Kant’s Second Thoughts on Colonialism,’ in Kant and Colonialism: Historical and Critical Perspectives, eds. Katrin Flikschuh and Lea Ypi. Oxford: Oxford University Press, 43-67.
• Kleingeld, Pauline. 2019. ‘On Dealing with Kant’s Sexism and Racism‘ SGIR Review 2: 3-22.